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Die Beliebten Sandalen

Bequem, gesund und hochbeliebt: Die Birkenstocksandalen sind aus der Sommerzeit längst nicht mehr wegzudenken. Die Beliebtheit in Deutschland stieg in den 80er Jahren rasant an und damit auch die Nachahmungen des Produkts. Seit 1963 produziert Birkenstock die berühmte Sandale, hat sich damals jedoch keine Schutzrechte gesichert, bis auf eine deutsche Bildmarke zu den Knochenmuster der Sohlen. Seit geraumer Zeit versucht Birkenstock, gegen Konkurrenzprodukte vorzugehen und Nachahmungen zu verhindern. Eine Tochter der Birkenstockgruppe reichte Klage beim Landgericht Köln gegen einen Online-Versandhandel ein: Dabei beantragte sie, die Gegenseite zu Unterlassung, Auskunft, Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, Rückruf, Vernichtung und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu verurteilen, sowie die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festzustellen. Die Beklagte bietet Schuhmodelle mit den Bezeichnungen „Komfortsandalen in Lackoptik“ und „Hausschuhe“ u.a. auf ihrer Webseite an, welche den Birkenstocksandalen zum Verwechseln ähnlich sind:

Die Entscheidung des LG KölN (Urteil vom 11.05.2023 – 14 O 121/22)

In ihrer Klage beanspruchte Birkenstock das Urheberrecht an den Sandalenmodellen Arizona und Gizeh und behauptete, die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Modellen zu besitzen. Kann Kleidung, oder wie im konkreten Fall Schuhwerk, eine geistige Schöpfung darstellen? Nach §2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG sind Werke der bildenden Künste geschützt. Ein Werk in diesem Sinne liegt jedoch nur bei einer persönlichen geistigen Schöpfung vor, §2 Abs. 2 UrhG. Entscheidend ist die Gestaltungshöhe, wobei die Anforderungen seit der Geburtstagszug-Entscheidung des BGH herabgesetzt worden sind.

Die Beklagte argumentierte, dass die ästhetische Gestaltung lediglich auf orthopädischen und schuhtechnischen Überlegungen beruhe und keine künstlerische Leistung darstelle. Dabei stützt sie sich auf die Seilzirkus Entscheidung des BGH: Eine Gestaltung genießt keinen Urheberrechtsschutz, wenn sie allein aus frei wählbaren austauschbaren, aber technisch bedingten Merkmalen besteht. Denn es muss eine rein über die funktionale Form hinausgehende künstlerische Gestaltung nachgewiesen werden, um Urheberrechtsschutz zu beanspruchen.

Das Landgericht Köln entschied zugunsten von Birkenstock. Es kam zu dem Schluss, dass die Sandalen ausreichend kreativ sind und sich von anderen am Markt vorhandenen Sandalenmodellen unterscheiden. Daher handele es sich bei den Modellen als urheberrechtlich geschützte Werke, die Urheberschutz genießen.

Haben jedoch gesundheitliche Erwägungen und Komfort etwas mit Schöpfung und Kunst zu tun? Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil ein und argumentierte, dass die Persönlichkeit des Schöpfers nicht ausreichend darin zum Ausdruck komme. Das Landgericht habe fehlerhaft die alleinige Urheberschaft der Gegenseite festgestellt.

Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 26.01.2024 – 6 U 89/23)

Nach dem OLG Köln sei das Urheberrechtsgesetz zwar für beide Modelle anwendbar, die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs nach §97 Abs. 1 UrhG und mithin der restlichen Ansprüche seien jedoch nicht erfüllt. Die streitbefangenen Schuhmodelle seien keine urheberrechtlich geschützten Werke und nicht in den Bereich der Kunst einzuordnen. Grundsätzlich können Sandalen potenziell urheberrechtlich geschützt werden, dann müssen sie aber eine gewisse künstlerische Gestaltung aufweisen, die über die rein funktionale Form hinausgeht.

Das Gericht erörterte umfassend, ob eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann. Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt.

Um ein Objekt als urheberrechtliches Werk einzustufen, muss es sich einerseits bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen.

Laut dem Gericht fehlt es bereits an der erstgenannten Voraussetzung- der Originalität, welche die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck gebracht wird. Dies versuchte Birkenstock mit zwei Privatgutachten zu beweisen, denn die Originalität der Gestaltung liege gerade in der Zusammenführung bereits bekannter Elemente, die daher künstlerischen Charakter aufweist.

Das sieht das OLG anders: Es komme keine kreative Entscheidung zum Ausdruck, wenn die Schaffung eines Gegenstandes durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben. Genau das trifft laut dem OLG auf die Birkenstocksandalen zu: Trotz gestalterischer Freiheit und minimaler Veränderungen im Laufe der Zeit würden sich die Sandalenmodelle nicht genug von bekannten Gestaltungen abheben, um als urheberrechtlich geschützte Werke zu gelten. Die von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten, die die Schuhmodelle als Kunst bewerten, genügten insoweit nicht. Die erste Instanz sah die Ausnutzung künstlerisch-gestalterischer Freiheiten schon darin, dass eine Abweichung von vorbekannten Gestaltungen vorliege und eine Auswahl zwischen verschiedenen technischen Möglichkeiten getroffen wurde, die in ihrer Kombination neu und eigenartig zum vorbekannten Formenschatz sei.

Das OLG Köln hingegen betont die vom BGH und dem EuGH entwickelten Grundsätze, nach welchen es nicht genügt, dass beim Entwurf einer Sandale gestalterische Freiheit besteht, vielmehr muss der bestehende Freiraum auch ausgenutzt werden, und zwar nicht in technisch-funktionaler, sondern in künstlerischer Weise.

Es reicht nicht aus, dass eine Gestaltung nur auf eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten zurückgeht, die Entscheidung muss vielmehr kunstbasiert erfolgen. Bei Entwicklung der Modelle ließ sich der Entwickler eher von technischen Gesichtspunkten leiten, hier der Fußgesundheit oder die Konstruktion, möglichst lange belastungsfrei in den Schuhen durchzustehen.

Aussicht

Höchstwahrscheinlich wird Birkenstock nun Revision einlegen. Das OLG Köln ließ zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zu. Denn die Frage, was eine künstlerische Leistung ist, ist für die Abgrenzung des Designrechts vom Urheberrecht maßgeblich und wird in der Instanz Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet.